In Breslau, in Polen nahe der Grenze zu Deutschland, fand am 19.12 die Blitzschacheuropameisterschaft statt. Das Teilnehmerfeld war sowohl qualitativ wie auch quantitativ beeindruckend. 56 Spieler mit einer Elozahl von über 2500 und insgesamt 616 Teilnehmer. Das Turnier wurde an einem Tag mit 11 Doppelrunden gespielt, jeweils eine Partie mit Weiß und Schwarz gegen den selben Gegner.
Schon in der 2. Runde musste ich mich mit einem 1-1 zufrieden geben. Danach kam ich aber in Form und nach 7 Doppelrunden hatte ich 11,5 Punkte auf meinem Konto, darunter auch einen 2-0 Sieg gegen den amtierenden russischen Meister Igor Lyisi. Danach ging mir jedoch die Puste aus. In den verbleibenden 4 Doppelrunden konnte ich nur mehr 3 Punkte holen und rutsche in der Tabelle weit ab.
An den nächsten beiden Tagen stand Schnellschach am Programm. Das Schnellschachturnier war in der Spitze (60 über 2500) stärker sowie mit mehr Teilnehmern (781) als das Blitzturnier besetzt. Am ersten Tag wurden 7 Runden gespielt. Mit fünf Siegen und zwei Remisen konnte ich mir eine gute Ausgangsposition für den zweiten Tag verschaffen. Meine beste Partie gelang mir in der 7. Runde gegen den jungen talentierten polnischen Großmeister Dragun Kamil (2563).
Der zweite Tag begann jedoch denkbar schlecht für mich, ich musste mit Weiß gegen GM Moranda Wojchiech (2587) eine Niederlage hinnehmen. Mit zwei Siegen in Serie konnte ich mich wieder an Spitze heran kämpfen.
In der letzten Runde spielte ich gegen den lettischen Großmeister Neiksans Artur (2581). In einer spannenden Partie erreichte ich mit Schwarz eine aussichtsreiche Stellung. Bei einem Bauerndurchbruch verrechnete ich mich jedoch schwer und musste in einem Endspiel mit einigen Minusbauern für eine verlorene Sache kämpfen. Durch diese unnötige Niederlage landete ich am Ende auf Platz 35 anstatt Platz 7.
Hier finden Sie die Endergebnisse für die Blitz- und Schnellschacheuropameisterschaft.
Jetzt möchte ich Ihnen noch meine Partie gegen GM Dragun Kamil zeigen.
Dragun,K (2561) - Ragger,M (2701) [D11] Schnellschacheuropameisterschaft (7), 20.12.2014
1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.e3 Lg4 5.cxd5 So spielte mein Gegner auch schon in Warschau beim Najdorf Memorial gegen mich. 5...Lxf3 In Warschau spielte ich cd5. Beide Züge sind gut spielbar für Schwarz und ein bisschen Abwechslung kann ja nicht schaden. [5...cxd5 6.Sc3 e6 7.Da4+ Sbd7 8.Se5 a6 9.Sxg4 Sxg4 10.Ld3 Ld6 11.Dd1 f5 12.De2 0-0 13.h3 Sgf6 14.Ld2 b5 15.0-0 Sb6 16.Tfc1 g5=/+ ½-½ (53) Dragun,K (2518)-Ragger,M (2639) Warschau 2014] 6.Dxf3 cxd5 7.Sc3 e6 8.Ld3 Sc6 9.0-0 Le7 10.Ld2 0-0
Bis hierhin haben sich beide Seiten normal entwickelt. Der klassische Plan, der oft von GM Jussupow gespielt wurde besteht in Tfd1, Tac1, De2, Le1 und Weiß hofft später das Läuferpaar zur Geltung zu bringen . 11.Dh3! Das ist der moderne Aufbau, Weiß möchte mit f4 und g4 einen Angriff am Königsflügel aufbauen. So eine Herangehensweise ist typisch für das moderne Schach. 11...Tc8 12.Tac1 Sa5 Schwarz möchte Schwächen am Damenflügel provozieren. Prinzipiell eine gute Idee, es scheint so als ob Weiß Sc4 nicht zu lassen darf und b3 spielen muss. Doch hat Weiß eine sehr starke konkrete Idee. [12...g6! wäre die genauere Zugfolge. 13.f4 Sa5 14.b3] 13.b3 [13.e4! dxe4 14.Sxe4 Sxe4 15.Lxe4 f5 (15...g6?? 16.Txc8 Dxc8 17.Lxa5+-) 16.Lxf5 exf5 (16...Txf5 17.Lxa5 Dxa5 (17...Txa5 18.Dxe6++-; 17...Dd7 18.Txc8+ Dxc8 19.Lc3+-) 18.Txc8++-) 17.Txc8 Dxc8 18.Lxa5=/+] 13...Sc6 14.f4 g6 15.g4 Weiß setzt seinen Plan zielstrebig fort. Es ist höchste Zeit für Schwarz Gegenspiel zu erlangen. 15...La3 16.Tcd1 Lb4 kämpft um die c-Linie und um das Feld e4. 17.g5 Se8 18.Se2
Mutig gespielt, GM Dragun überlässt den Damenflügel seinem Schicksal und setzt alles auf eine Karte, Königsangriff. 18...f5!? Am Brett besonders mit wenig Bedenkzeit steht jedoch Königssicherheit ganz weit oben auf der Prioritätenliste. [18...Da5! Der Computer sammelt eiskalt die Bauern am Damenflügel ein und verteidigt trotzdem alle Drohungen am Königsflügel. 19.Lxb4 Sxb4 20.Lb1 Sxa2 21.Tf3 Db5 22.Te1 Sc3 23.Sxc3 Txc3 24.Dh6 f5!-/+] 19.gxf6 Dxf6 20.Sg3 Sg7 21.Tf2 Lxd2 22.Tfxd2 Se7
Der Springer ist der beste Freund des Königs, soll heißen, dass der Springer den König am Besten verteidigt und jetzt habe ich gleich zwei davon als Leibwächter. 23.Tg2 Sef5 24.Se2 Tc6 plant eine Verdoppelung auf der c-Linie. [24...Dh4 25.Dxh4 Sxh4 26.Tg4 Shf5 27.Kf2 Tc6=] 25.Kh1 Dh4 26.Df3 Dh5 27.Df2 Dh3 28.Sg3 Tc3 29.Tgg1 Tfc8 30.Dd2 Schwarz hat einen schönen Vorteil erreicht, doch ist es nicht leicht die weiße Stellung zu durchbrechen. 30...Dh4 Jetzt gilt es überall ein bisschen herumzustochern bis sich irgendwo eine Lücke auftut. 31.Se2 T3c7 32.Tdf1 Dh3 33.Sg3
Tc2!! Die Lücke ist offen und noch dazu ein so schönes Motiv. 34.Lxc2 Sxg3+ 35.Txg3 Dxf1+ 36.Tg1 Df3+ 37.Tg2 Sf5! [37...Txc2? Der Versuch auf den Schönheitspreis zu spielen scheitert leider. 38.Dxc2 Sf5 39.De2! (39.Dc8+ Kg7 40.Dxb7+ Kh6 41.Dxa7?? Df1+ 42.Tg1 Sg3+ 43.hxg3 Dh3#) 39...De4 40.Kg1 Sxe3 41.Tg3+-] 38.Lxf5 exf5 39.Kg1 De4 40.h3?! Weiß will seinen König auf h2 verstecken, doch gelingt es Schwarz jetzt mit seinen Figuren in die Stellung einzudringen. [40.Te2 Kf7=/+] 40...Db1+ 41.Kh2 Tc1 42.Da5 Weiß möchte jetzt gegen den scheinbar schutzlosen schwarzen Monarchen vorgehen. 42...Kg7! Weiß hat kein Schach und muss aber gleichzeitig immer ein Auge auf e1 werfen. 43.Db4 [43.Dxa7 Th1+ 44.Kg3 De1+ 45.Tf2 Dxe3+ 46.Tf3 (46.Kg2 Dxh3#) 46...Dg1+ 47.Kh4 Dg4#] 43...Th1+ 44.Kg3
Kh6! Der schwarze König wird sich auf h5 relativ sicher fühlen und sogar beim Angriff auf den weißen König mitwirken. 45.Dd2 [45.Df8+ Kh5 46.Db4 h6-/+] 45...De4 46.Df2 Tc1 47.Kh2 Tc3! Jetzt gewinnt Schwarz Material. 48.Dh4+ [48.Tg3? Tc2-+] 48...Kg7 49.Dd8 Txe3 50.Dc7+ Kh6 51.Dd6 Dxd4 52.Df8+ Dg7 53.Dd8 De7 54.Dxd5 Dh4 Der Bauer auf h3 und in weitere Folge das Matt kann nicht mehr gedeckt werden. 0-1
Europameisterschaft 2014
Vom 2.März bis 15.März fand in Yerevan die Einzeleuropameisterschaft statt. Daran nahmen 259 Teilnehmer aus ganz Europa teil, darunter auch fünf Österreicher. Betreut wurden die Kaderspieler, neben mir nahmen noch Robert Kreisl, Mario Schachinger und Peter Schreiner teil, wie üblich bei solchen Veranstaltungen vom österreichischen Nationaltrainer GM Zoltan Ribli. Mein Ziel war es natürlich, einen der ersten 23 Plätze zu belegen und mich damit für den Worldcup zu qualifizieren. Wie die Erfahrungen der vergangenen Jahre gezeigt haben, braucht man dafür 7,5 Punkte oder wie es in Schachspielerkreisen heißt +4 (Vier mal öfter gewinnen als verlieren). Doch es war klar, dass dies keineswegs leicht wird, da ich nur als Nummer 43 ins Rennen ging und insgesamt 72 Spieler mit einer Elozahl von über 2600 am Start waren.
Der Auftakt verlief denkbar ungünstig, nach einer ruhigen Caro Can Eröffnung übernahm ich als Schwarzer langsam die Initiative, doch um den 30 Zug herum wählte ich ein zu riskantes Springermanöver. Mit dem sehr starken Zug g4 konnte der Russe Kozlitin meinen Springer ins Abseits verbannen. Trotz hartnäckigem und langem Widerstand musste ich im 91.Zug aufgeben.
Von diesem Rückschlag ließ ich mich aber nicht entmutigen und kämpfte mich mit drei Siegen in Serie gegen FM Poghosian, IM Berchtenbreiter und GM Babujian wieder zurück auf den Qualifikationskurs. In der 5.Runde spielte ich gegen den ehemaligen Weltklassespieler GM Rafal Vaganian. Diese hochinteressante Partie endete nach beiderseitigen Chancen mit Remis.
Danach bekam ich GM Huzman zugelost. Der langjährige Sekundant von Boris Gelfand ist eröffnungstheoretisch top vorbereitet. Trotzdem kommt er mit Nachteil aus der Eröffnung, aber mit genauer Verteidigung schafft er es, die Partie ins Remis Turmendspiel zu lenken. Die erste Turnierhälfte überstanden, mit +2 und noch guten Qualifikationschancen ging es in den spielfreien Tag.
Neben Vorbereitung und Erholung stand auch ein Ausflug nach Echmiadzin mit Empfang Katholikos, dem Oberhaupt der Armenisch Apostolischen Kirche am Programm.
Gut erholt spielte ich in der 7. Runde gegen den jungen Spanier GM Anton Guijarro David. In der Eröffnung konnte ich mir durch den Abtausch seines schwarzfeldrigen Läufers einen positionellen Vorteil verschaffen. Durch Ungenauigkeit vor dem 40. Zug und besonders mit dem Fehler im 40.Zug verschlechtert sich meine Gewinnstellung sukzessive und wird zu einer Verluststellung. Im entstehenden Endspiel spielte der spätere Vizeeuropameister genau und realisiert seinen Vorteil.
Zurück auf +1 spielte ich in Runde acht gegen den georgischen GM Paichadze Luka, eine Bogoindische Eröffnung führt dann zu einer Carlsbaderstruktur. Ich habe die ganze Partie über Vorteile, doch im Turmendspiel mit einem Mehrbauern hält mein Gegner Remis.
Die nächste Runde bringt mir mit IM Quparadze ebenfalls einen Georgier. Mein Gegner ist mir im bisherigen Turnierverlauf schon durch sein schnelles Spiel aufgefallen. Er verbraucht meistens nur 10-25 Minuten (inklusive 30 Sekunden pro Zug) seiner Bedenkzeit für die ganze Partie. In unserer Partie bekomme ich mit Schwarz schnell leichten Vorteil, doch mein Gegner verteidigt sich gut im Endspiel und im 59. Zug einigten wir uns auf ein Remis. Die Restbedenkzeit betrug 5 Minuten meinerseits, während seine Uhr noch eine Stunde und 37 Minuten anzeigte.
Gegen Stukopin, ein 20 Jähriger Russe, spielte ich in der 10.Runde. Er wollte mich mit dem Albinsgegengambit überraschen, doch ich kannte mich recht gut aus und folgte bis zum 17.Zug der Empfehlung von Boris Avrukh in seinen 1.d4 Repertoire Büchern. Danach überlegte ich 30 Minuten an dem richtigen Zug 18.Lf5! mit dazugehörigem Plan 20.Sd5!. Im 30.Zug gab mein Gegner schließlich mit Minusturm auf.
Die Schlussrunde bescherte mir mit IM Ashot Nadanian nicht nur einen groß aufspielenden Armenier. Er war auch schon als Sekundant für GM Levon Aronian und GM Wladimir Kramnik tätig. Die Partie schien ruhig anzulaufen, Slawische Abtauschvariante, doch schon nach wenigen Zügen gossen wir beide Öl ins Feuer und es entstand eine wilde Stellung, in der Nadanian mich mit der neuen Idee 12.h4 überraschte. Ich fand am Brett ein gutes Gegenmittel und brachte meinen König mit langer Rochade in Sicherheit, während der weiße König in der Mitte blieb. Danach öffnete ich mit e5 die Stellung und Weiß musste die Segel streichen. Damit landete ich mit 7 Punkten am 42.Platz. Die Worldcupqualifikation habe ich damit aber leider um einen halben Punkt verpasst. Aber es gibt ja noch eine EM 2015, um sich für den World Cup zu qualifizieren.
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